von Hans-Jürgen Von der Wöste
Ich habe in meiner ersten Veröffentlichung „DIE KUNST DER BLASTECHNIK“ schon kurz erwähnt, dass die Atemtechnik auch die Zungentechnik beeinflusst. Das will ich gerne nochmals ausführlicher erklären. Wer sich mit meiner Sichtweise der Atemstütze beschäftigt hat, weiß, dass sich eine automatische Verkrampfung der Kehle einstellt, wenn die Atemhilfsmuskulatur zu schwach ist und die unteren Bauchmuskeln die Schwäche kompensieren. Diese Verkrampfung mindert den Luftstrom, was zu einer Minderung der Luftgeschwindigkeit führt. Und hier liegt das Problem der Doppelzunge.
Der Luftdruck, viele sprechen auch von Luftgeschwindigkeit, bringt den Ton im Blechblasinstrument hervor. Wir benötigen hierfür die Zunge also nicht. Die Zunge dient nur zur Präzision der Ansprache und Unterbrechung des Luftstroms. Haben wir eine schlechte Atemstütze, ist der Luftdruck, bzw. die Luftgeschwindigkeit zu gering, was zu einer schlechten Tonansprache führt. Die meisten Bläser mit diesem Problem reagieren dann mit einem harten „ta,tü oder ti“ oder auch bei der Doppelzunge mit einem „ka“ und missbrauchen so den Anstoß (der eigentlich nur als Unterbrecher dient), um eine kleine Luftexplosion ins Mundstück zu schießen. Durch diesen Zungenakzent wird kurzfristig die fehlende Luftgeschwindigkeit kompensiert, so dass das Instrument erklingen muss, aber das musikalische Resultat ist holprig und nicht geeignet um „musikalische Eleganz“ zu interpretieren. Mit der richtigen Atemstütze, also mit der entsprechenden Geschwindigkeit und dem entsprechenden Luftvolumen, erklingt der Ton ohne die störende Luftexplosion und die Zunge benötigt man nur zur präzisen Unterbrechung des Luftstroms (Doppelzunge). So ist eine weiche Doppelzunge möglich um musikalische Eleganz zu interpretieren.
Für die Bläserschüler, die Schwierigkeiten bei der Doppelzunge haben, empfehle ich zunächst folgende Übung: “Da-dl-da-dl-da-dl“ oder besser noch “di-dl-di-dl-di-dl“. Das „l“ bewirkt, dass die Zunge sich seitlich verengt, also schmaler wird und die Luft so gut seitlich fließen kann. In unterer Übung gehe ich noch näher darauf ein. Außerdem unterstützt das „l“ die Ansteuerung des Atemhilfsmuskel M. Transversus thoracis. (Siehe mein Artikel „Das Blasinstrument und der Atemhilfsmuskel“)1)
An diesem fließenden Gefühl sollte der Bläser festhalten auch wenn er dann zur richtigen Doppelzunge übergeht.Das „t“ oder auch das „d“ macht immer einen Totalverschluss, d.h. die Zunge ist sehr breit. Bläser mit einer falschen Atemstütze werden immer die Muskeln vernachlässigen, die für den Luftfluss zuständig sind. Das „a“ nach dem „t“ („ta“) gibt der Zunge ebenfalls ein entspanntes Gefühl und verführt die Zunge dazu, spannungslos in der Mundhöhle zu verweilen, deshalb ist die Silbe “ti“ oder “tü“ vorzuziehen. Erst wenn das Gefühl der fließenden Luftsäule über die Silben “da-dl-da-dl“ oder besser “di-dl-di-dl“ bewusst gespürt wird, ist eine Überleitung zu “da-ga-da-ga“ oder “di-gi-di-gi“ gegeben und als letzten Schritt kann dann auch die harte Doppelzunge mit „ta-ka-ta-ka“ oder „ti-ki-ti-ki“ geübt werden. Ich rate aber zur Geduld wenn Schwierigkeiten vorhanden sind, da das harte „k“ atemkraftmäßig die falsche Region (Bauchkraft)1) aktiviert. Und da bei Doppelzungenproblemen meistens die Atemstütze nicht gut ausgebildet ist, wird mit dem harten „k“ die falsche Körperregion aktiviert. Erst muss sich der Erfolg mit der weichen Doppelzunge einstellen, bevor man zur harten Doppelzunge übergeht. Wenn der Übergang von „di-dl-di-dl“ zu „di-gi-di-gi“ noch zu schwer erscheint, dem empfehle ich die Übung folgendermaßen zu machen:
“di-dl-di-dl-di-gi-di-gi-di-dl-di-dl-di-gi-di-gi-di-dl-di-dl-di-gi-di-gi“ usw.
Es hilft der Wettbewerbsgedanke!
Denken Sie nicht an die Doppelzunge, sondern an eine Sprechübung, die Sie in einem Wettbewerb mit Konkurrenten ausführen. Zusätzlich, während der Sprechübung wird nebenbei noch das Luftvolumen gemessen, was aus Ihrem Munde strömt, bzw. gehaucht wird. Gemessen wird also die Zeit, wie lange Sie für die oben angeführte Sprechübung benötigen und wieviel Luft Sie während dessen aus Ihrem Munde verströmen lassen können. Luft und Zeit bringen also die Wettbewerbspunkte. Bei einer einseitigen Fixierung, sei es auf die Schnelligkeit oder auf das Luftvolumen, werden Sie den Wettbewerb nicht gewinnen. Nur wenn Sie beide Ziele gleichzeitig ansteuern werden Sie der Held des Tages werden. Nun sind Sie nicht mehr auf die Trompete und die Doppelzunge fixiert und damit können alle falschen Vorstellungen weichen. Diese Übung so lange üben, bis der Luftfluss gleich bleibt. Jetzt ist der Schüler auf den Luftfluss fixiert, der den richtigen Weg vorgibt. Deshalb ist die richtige Atemstütze eine Voraussetzung für die Doppelzunge und Probleme bei der Doppelzunge lassen sich oft über den Atemfluss lösen.
Hier nochmals der technische / mechanische Ablauf in Bildern:
Zeichnungen: EDITION Von der Wöste
Der Luftraum (Luftkanal) zwischen Gaumen und Zunge ist bei einem einfachen Anstoß („d“ oder „g“) im unteren Tonbereich in einer normalen Position (siehe Abb. A und B). Wenn die schnellen Verschlüsse bei der Doppelzunge mit „d“ oder “g“ vollzogen werden, (siehe Abb. C) wird der Luftkanal enger, da die Zunge in der Schnelligkeit natürlich nur minimale Bewegungen machen möchte. Durch einen engeren Luftkanal und die ständige Unterbrechung durch die Doppelzunge wird logischer Weise viel weniger Luft den Kanal zwischen Zunge und Gaumen passieren können, was zur Folge hat, dass im Instrument ein Luftdruckabfall entsteht. Wenn ich bei der Doppelzunge nun nicht meinen Luftdruck oder die Fließgeschwindigkeit massiv erhöhe, ist die Folge, dass das Instrument nach einer Luftunterbrechung, meistens bei dem Konsonant „g“ oder „k“ nicht mehr in Schwingung gesetzt werden kann, was dann durch Kompensation des Zungenakzentes, wie oben beschrieben, das holprige Hörergebnis verursacht.
Daraus sehen wir, dass die Ursache der holprigen „Doppelzunge“ nicht die Zunge ist, sondern der mangelnde Luftfluss, der wiederum die falsche Atemstütze als Ursache hat.
Ein Bild für den Kopf:
Die Zunge setzt sich also wie ein Surfbrett auf die Welle, also auf den Luftstrom. Es nützt nichts, wenn man das Surfbrett bearbeitet und verfeinert, wenn keine ausreichende Welle vorhanden ist.
Und wenn es jetzt immer noch Schwierigkeiten gibt, dann folgt diese Übung:
Fühlen Sie Ihren Kehlkopf von außen mit Daumen und Fingerspitzen. Drücken Sie die Zunge gegen den Gaumen, bzw. gegen die Zähne wie man es bei der Silbe „ta“ oder „da“ machen würde und üben Sie einen kleinen Luftdruck aus.
(Dieser Luftdruck muss hinter der Zunge gefühlt werden, nicht unter der Kehle. Sonst hätten wir den nichtgewollten Kehlverschluss.)1)
Wechseln Sie dann (bei gleichbleibendem Luftdruck) die Position der Zunge vom „d“ zum „l“.
Die Zungenspitze hat bei dem „d“ und bei dem „l“ die gleiche Position.
(Die Zungenspitze darf dabei also die Gaumenposition nicht verlassen.)
Nur die seitliche Zunge gerät bei der „l“ Position in Spannung.
Sie spüren an Daumen und Fingern, abgesehen davon, dass die Luft sofort fließt, dass im Zungenbein- und Kehlbereich eine Spannung entsteht. Der Kehlkopf geht abwärts!
Diese „l“-Spannung aktiviert den inneren Brustmuskel (Transversus thoracis, der hinter dem Brustbein liegt) der wiederum für die Luftgeschwindigkeit maßgeblich verantwortlich ist.
Diese Luftgeschwindigkeit oder auch Luftdruck, muss bei der Doppelzunge angestrebt, bzw. gehalten werden. Dann benötigt die Zunge nur kleine Wege und der Luftdruck kann durch den Zungenwiderstand (fast) mühelos fließen.
Es muss klingen wie der Name „Til“ nur ohne „i“, also tl-tl-tl und zwar sauber ausgesprochen. Falls das bei Ihnen so klingt als würde ein Kleinkind sprechen, evtl. mit einem Speichelgeräusch vermengt, dann ist die seitliche „l“ Zungenspannung nicht aktiviert und die Zungenschwäche hört man deutlich.
Eine gute Atemstütze mit funktionierenden Atemhilfsmuskeln ist dafür eine hilfreiche Voraussetzung. Ich verweise auf meine DVD
“Die Problematik der Atemstütze bei Blechblasinstrumenten– Der Schlüssel zur Blastechnik“1)
Funktionale Störungen:
Auch in diesem Bereich gibt es funktionale Störungen, die ihre Beachtung finden sollten. Wer als Kind eine Artikulationsschwäche (Dyslalie) hatte, besonders die Ersetzung der Laute „k“ zu „t“ und „g“ zu „d“, kann später, bei der Erlernung der Doppelzunge Schwierigkeiten haben. Bei kleinen Kindern wird diese Schwäche durch den Logopäden behoben, so dass bei der Einschulung keine Problematik mehr besteht. Der Logopäde geht von verschiedenen Ursachen aus. Es kann bei kleinen Kindern an der Hörverarbeitung liegen, in der motorischen Ausführungsplanung der Sprachlaute sowie in Fehlfunktion oder Fehlbildung der Artikulationsorgane.2)
Meiner Erfahrung nach, ist das Problem immer mit einer gewissen Trägheit der Zungenmuskulatur und damit über das Zungenbein auch mit dem gesamten Kehlhalteapparat verbunden. Ein einmaliges „k“ oder „g“ in einem Wort zu sprechen ist für die Zungenmuskulatur sehr viel einfacher als eine schnelle Abfolge der Silben „ta-ka-ta-ka“ oder „da-ga-da-ga“ bei der Doppelzunge. So kann zwar der Sprachfehler beim Sprechen behoben aber eine Schwäche der gesamten Zungen- Kehlregion trotzdem vorhanden sein.
Das Erreichen einer flüssigen Doppelzunge bei einer Kehlmuskelschwäche bedeutet für den Bläser wesentlich mehr Arbeit. Auch hier, das möchte ich betonen, ist nicht „Lockerheit“ die Lösung, sondern der richtige Muskelaufbau.
Dieser Aufsatz ist eine theoretische Erklärung, die Problematik der Doppelzunge bei Blechblasinstrumenten zu verstehen. Das Verstehen dieser Problematik ist die Voraussetzung um eine Lösungsmöglichkeit zu finden. Allein durch diesen Aufsatz wird man höchstwahrscheinlich die Problematik nicht lösen können. Eine pädagogische Betreuung wäre ratsam.
1) http://www.edition-vonderwoeste.de/ Bläserpädagogik / Atemstütze / Fachartikel
2)
http://www.logopaedie-rotherbaum.de/behandlungsspektrum/sprach-und-sprechstoerungen/ abgerufen am 25.01.2020
Fragen bitte an info@edition-vonderwoeste.de
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